22 October 2024

Unternehmer wissen, was sie wollen – aber unbewusst

Unternehmer in der Industrie tragen immense Verantwortung und bewältigen ihre Aufgaben und Risiken durch Mut und innere Stärke, die aus einer inneren spirituellen Kraft gespeist ist. Diese Kraft wirkt im Willen, bleibt jedoch unbewusst. Die Arbeit mit dem Freiheitsprozess ermöglicht es, den im Willen verborgenen Sinn, die höhere Aufgabe, die Berufung, ins Bewusstsein zu heben, ohne vorgefertigte Antworten aufzudrängen.

Disclaimer: Glauben Sie nichts, denken sie selbst – Versuchen Sie ihre Meinungen, Vorurteile und Widerstände für einen Moment zurückzustellen – Versuchen sie sich mit den hier beschriebenen Begriffen und Ideen zu verbinden – Versuchen sie es auszuhalten, dass in diesem Text mehr interessante Fragen aufgeworfen, als langweilige Antworten gegeben werden – Vielen Dank!

Bernard Lievegoed, schreibt in seinem Buch »Das Gute tun: Ankommen im 21. Jahrhundert«, über die spirituelle Willenskraft, die viele Unternehmer, möglicherweise mit auf diese Erde gebracht haben. Dieser Gedanke hat mich tief beeindruckt:


Die alten Eingeweihten sind in der Industrie zu finden

»Denken Sie einmal an die leitenden Persönlichkeiten in der modernen Industrie. Sie müssen Risiken auf sich nehmen. Sie müssen mutige Entschlusskraft entwickeln. Sie müssen lernen, mit der Unsicherheit zu leben. Ungeheure Verantwortung liegt auf ihnen. Wenn wir Leiter großer Unternehmen anschauen, Menschen um die 40, können wir uns fragen: woher nehmen Sie diesen Mut, diese innere Sicherheit im Leben bei ihren Risiken? Aus welchen Kräften leben sie? Es ist eine tiefe Frage, aber ich darf vielleicht doch einmal andeutend den Gedanken vor ihnen aussprechen, dass sie diese Kräfte aus Initiationen mitbringen, die sie in früheren Kulturen erlebt haben. Die alten Eingeweihten – sie sind in der Industrie zu finden. Die Einweihung ist in ihren Willensbereich hinuntergesunken. Aus der Weisheit, die jetzt in ihrem Willen lebt, aus der Kraft, die aus diesem Willensleben kommt, können Sie die Unsicherheit und die hohen Risiken unseres modernen Berufsleben tragen. Was so in ihrem Willen lebt, gelangt allerdings nicht bis in die Köpfe hinauf.«


Es geht nicht darum ihnen etwas beizubringen,
sondern gemeinsam den eigenen Willen auf den Begriff zu bringen

»Ihnen helfen bedeutet, dass, was in ihren Willenskräften bereits lebt, hinauf in die Köpfe zu heben, sodass es bewusst werden kann. Es ist nicht an uns, ihnen etwas Neues beizubringen. Sie sind bereits Wissende. Aber sie sind Wissende in ihren Willenskräften. Wir müssen nur ihren Willen zur Bewusstheit erwecken. Dabei können wir Ihnen helfen.

Wir können also auf dem sozialen Feld Wege zur Ausbildung echter Bewusstseinseelen-Begriffe zu entwickeln versuchen, aber das gelingt nicht mit Hilfe unserer Stereotypen anthroposophischen Antworten. Nur eine Antwort, die aus der Wirklichkeit der Situation selbst kommt, zählt. Das erfordert also, dass wir uns tief in den anderen Menschen einleben. Da ist es unfair, Rudolf Steiner oder andere zu zitieren, wenn der andere sie nicht kennt. Wir nehmen ihm so etwas von seiner Freiheit weg. Unsere eigentliche Aufgabe ist es, an den sozialen Fragen brauchbare, vernünftige Begriffe zu bilden, die der jeweiligen Situation gerecht werden und die nicht unseren Vorlieben und Vorkenntnissen folgen müssen.«

Die Erinnerung an die eigene Aufgabe,
durch den Freiheitsprozess

Der Freiheitsprozess wurde genau darauf hin entwickelt, durch Begriffsarbeit und Dialog, dass was in dem Menschen bereits an Kräften wirkt, in die Köpfe und damit in das Bewusstsein zu heben. Der Freiheitsprozess gibt dafür zwar ein weitreichend ausgearbeitetes Begriffsystem vor, dieser Rahmen dient aber nur der ersten Orientierung, um dann den Rahmen zu verlassen. Grundsätzlich eignet sich der Freiheitsprozess für jeden Menschen, der sein eigenes Ich entwickeln und seine eigene Fähigkeit und Lebensaufgabe erkennen will. Für Unternehmer ist die Arbeit mit dem Freiheitsprozess aber besonders interessant, weil der Freiheitsprozess ein einzigartiger Ansatz ist, der die individuelle Ich-Entwicklung mit Fragen einen zukunftsfähigen Weltwirtschaft und einer modernen und integralen Organisationsentwicklung verbindet.


Quelle:

Bernard Lievegoed, »Das Gute tun: Ankommen im 21. Jahrhundert«,
Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart, 1983, S. 116-117


Bernard Lievegoed, 1905 in Indonesien geboren, studierte Medizin und Kinderpsychiatrie. Nach der Gründung des ersten heilpädagogischen Instituts 1931 in den Niederlanden und seiner Promotion setzte er sich intensiv mit Fragen der Organisationsentwicklung in Unternehmen auseinander. 1954 wurde er Professor an der Universität Rotterdam, und in dieser Zeit gründete er das in vielen Ländern tätige NPI (Niederländische Pädagogische Institut). 1970 folgte die Gründung der Freien Hochschule in Driebergen. Bernard Lievegoed starb am 12.12.1992 in Zeist.