1 November 2024

Womit ich nie gerechnet habe

Götz Werner, der Gründer der Drogeriemarktkette dm, war nicht nur ein erfolgreicher Unternehmer, sondern auch ein Vordenker. Seine Ideen zur Führung von Unternehmen stellen traditionelle Modelle in Frage und bieten auch heute noch Inspiration für moderne und erfolgreiche Unternehmenskulturen. Götz Werners unkonventionelle Führungsphilosophie ist ein Plädoyer für innere Führung, Umdenken und Selbstverwirklichung.

Dieser Blogartikel basiert auf von mir ausgewählten Ausschnitten aus Götz Werners Autobiographie »Womit ich nie gerechnet habe«, in denen er seine Philosophie des Unternehmertums und der Führung darlegt. Werner plädiert für ein Denken, das sich nicht nur auf vergangene Erfahrungen (Empirie) stützt, sondern auch auf die Zukunft (Evidenz) schaut. Er kritisiert das traditionelle, hierarchische Unternehmensmodell und fordert stattdessen eine agile, selbstbestimmte Arbeitsweise, in der Mitarbeiter im Zentrum stehen und aktiv an der Gestaltung des Unternehmens beteiligt sind. Werner betont die Bedeutung von Träumen, Utopien und dem Fragen stellen als Antrieb für Innovation und Wachstum, und plädiert für eine »qualitative« Entwicklung, die sich nicht nur auf quantitive Kennzahlen fokussiert.


Empirie vs. Evidenz: Die Zukunft im Blick

Werner argumentiert, dass Empirie, also das Handeln auf Basis vergangener Erfahrungen, für die Bewältigung der Zukunft nicht ausreicht. Stattdessen plädiert er für Evidenz – eine Erkenntnis, die aus Intuition und der Antizipation zukünftiger Entwicklungen erwächst. Er schreibt: »Mit der Empirie erfasst man die Vergangenheit, mit der Evidenz bewältigt man die Zukunft.« Unternehmen, die sich allein auf die Erfahrungen und Erfolge der Vergangenheit stützen, laufen Gefahr, in einer dynamischen und komplexen Welt den Anschluss zu verlieren. Wie Werner betont, »handeln aus Empirie [ist] töricht«, denn sich verändernde Bedingungen erfordern ganz neue Fähigkeiten und ein erweitertes Bewusstsein.


Die Umkehrung der Hierarchie:
Der Mitarbeiter im Mittelpunkt

Das traditionelle hierarchische Führungsmodell, das Werner anhand des »Harzburger Modells« vorstellt, basiert auf starren Strukturen, detaillierten Anweisungen und strenger Kontrolle. Werner hingegen fordert eine Umkehrung dieser Hierarchie. Die Mitarbeiter, die im direkten Kundenkontakt und an den Primärprozessen in der Produktion beteilgt sind, rückt er in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit, während alle anderen »höheren« Funktionen, als »rückwärtige Dienstleister« betrachtet werden. Diese Fokusverschiebung unterstreicht die Bedeutung der Mitarbeiter und stärkt ihre Entscheidungsfreiheit.


Führung durch Fragen:
Bewusstseinserweiterung statt Anweisungen

Führungskräfte sollten laut Werner nicht durch Anweisungen führen, sondern durch das Stellen der »richtigen Fragen«. »Wer fragt, der führt«, schreibt er. Fragen regen zum Nach- und Vordenken an und eröffnen neue Perspektiven, während fertig gegebene Antworten den Denkprozess eher abschließen. Die Aufgabe von Führungskräften besteht darin, Impulse zu geben und Rahmenbedingungen zu schaffen, in denen Mitarbeiter den Mut finden, selbstständig zu denken und innovative Lösungen zu entwickeln.


Das Unternehmen als Prozess: Dynamik statt Statik

Werner betrachtet ein Unternehmen nicht als starre Hierarchie, sondern als »dynamischen Prozess«. Wachstum sollte kein Selbstzweck sein, sondern aus der kontinuierlichen Verbesserung von Produkten und Dienstleistungen entstehen. »Die einzige vernünftige Antwort auf die Frage "Wo wollen Sie hin?" lautet: "Ich will es besser machen!"«, schreibt Werner. Diese Aussage unterstreicht seine Überzeugung, dass die Qualität der Arbeit und die Zufriedenheit der Kunden im Mittelpunkt stehen sollten.


Karriere als Selbstverwirklichung:
Sinnsuche statt Statusdenken

Erfolg im Beruf definiert Werner nicht durch hierarchischen Aufstieg oder finanziellen Gewinn, sondern durch die Quaität und Sinnhaftigkeit der Tätigkeit. Er ermutigt dazu, Aufgaben zu wählen, mit denen man sich identifiziert und bei denen man sich »authentisch erleben« kann. Die strikte Trennung von Arbeitszeit und Freizeit lehnt er ab, denn die Arbeit sollte idealerweise ein integraler Bestandteil eines erfüllten Lebens sein.


Fazit: Ein zeitloses Vermächtnis

Götz Werners Führungsphilosophie ist geprägt von einem zukunftsorientierten Denken, dem Vertrauen in die Selbstverantwortung der Mitarbeiter und dem Verständnis des Unternehmens als lebendigen Prozess. Seine Ideen sind heute relevanter, denn je und bieten wertvolle Anregungen für die Gestaltung moderner und erfolgreicher Unternehmenskulturen, die auf Eigeninitiative, Kreativität und Sinnorientierung setzen.


Quelle:

Werner 2014 = Werner, Götz: »Womit ich nie gerechnet habe. Die Autobiographie«, Econ / Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2014

Zu bestellen unter:

https://www.ullstein.de/werke/womit-ich-nie-gerechnet-habe/taschenbuch/9783548612546