Die Verbindung zwischen Beuys' Honigpumpe und der anthroposophischen Sichtweise der Bienen liegt in der Betonung des organischen, lebendigen Prozesses und der transformativen Kraft der Arbeit und der Liebe. Der Honig symbolisiert dabei die Süße und den Reichtum, die aus gemeinschaftlicher Arbeit und Hingabe entstehen können.

Dieser Artikel ist der Versuch die Verbindung zwischen Joseph Beuys' berühmter Installation »Honigpumpe am Arbeitsplatz« auf der documenta 6 im Jahr 1977 und der spirituellen Bedeutung der Bienen in der Anthroposophie zu finden.
Die Honigpumpe: Ein lebendiger Organismus
Die »Honigpumpe am Arbeitsplatz« war eine einzigartige Installation, die weit über den traditionellen Kunstbegriff hinausging. Sie bestand aus einer eigens konstruierten Maschine, die Honig durch ein komplexes Schlauchsystem im Fredericianum, dem Hauptgebäude der documenta, pumpte. Die Schläuche durchzogen auch die Arbeitsräume der »Freien Internationalen Universität« (FIU), einem weiteren Projekt von Beuys, das zum Austausch und zur Diskussion über alternative Gesellschaftsmodelle einlud.
Die Honigpumpe war nicht nur eine statische Skulptur, sondern sie war etwas lebendiges, ein Organismus, der seltsame Geräusche und Wärme erzeugte. Das Pumpen des Honigs durch die Schläuche, unter Beimischung von Luft, erzeugte ein rhythmisches Geräusch, das an eine Dampfmaschine oder auch ein atmendes Lebewesen erinnerte. Diese lebendige Qualität der Installation unterstrich Beuys' Intention, die soziale Plastik, die Gesellschaft als Kunstwerk als einen lebendigen Prozess zu verstehen, der in ständiger Bewegung und Transformation begriffen ist.
Die Biene: Ein Wärmewesen mit hohem Bewusstsein
In der Anthroposophie, der spirituellen Lehre, die von Rudolf Steiner begründet wurde, wird der Biene eine besondere Bedeutung beigemessen. Die Biene gilt als ein »Wärme- oder Feuerwesen«, dessen Lebenszyklus eng mit der Entwicklung des Menschen und des Kosmos verbunden ist.
Die Biene ist eng mit dem Element Wärme verbunden. Im Bienenstock, strahlt eine konstante Wärme, die der Temperatur des menschlichen Blutes entspricht. Diese Wärme wird als Ausdruck eines höheren Bewusstseins und einer spirituellen Kraft gesehen, die die Biene von anderen Tieren unterscheidet und mit dem Menschen verbindet.
Der vierstufige Lebenszyklus der Biene, vom Ei zur Larve über die Puppe bis zur erwachsenen Biene, wird in der Anthroposophie als ein Spiegelbild der menschlichen Entwicklung gesehen. Die Metamorphose der Biene symbolisiert die verschiedenen Stufen des menschlichen Lebens und die Transformation des Bewusstseins.
Die Biene wird nicht nur als ein irdisches Wesen betrachtet, sondern auch als ein Wesen, das in den kosmischen Zusammenhang eingebunden ist. Ihre Fähigkeit, Honig aus dem Nektar der Blumen zu produzieren, wird als ein Ausdruck der Verbindung zwischen der irdischen und der himmlischen Welt gesehen. Die Biene wird als ein Botschafter der Sonne und des Lichts betrachtet.
Rudolf Steiner betonte die Weisheit des Bienenstocks als Ganzes, die die Intelligenz der einzelnen Biene weit übersteigt. Aus der Arbeitsteiligkeit der vielen einzelnen Bienen ergibt sich ein Ganzes, dass mehr als die Summe seiner Teile ist. Er sah im Bienenstock ein Beispiel für ein soziales Leben, in dem die Liebe und die Arbeit im Vordergrund stehen, während die persönliche Lust zugunsten des Gemeinwohls zurücktritt. Die Biene wird zum Symbol für den freien und kreativen Menschen, der die Sterblichkeit überwindet und in einem höheren Bewusstseinszustand lebt.
Der Honig: Symbol der Süße und des Reichtums der Gemeinschaft
Beuys verwendete Honig und Bienenwachs auch in anderen Werken, da er die Fähigkeit der Bienen bewunderte, aus einfachen Materialien komplexe Strukturen zu schaffen. Für Beuys waren Bienen »Kollegen«, die wie er selbst aus chaotischen Anfängen durch Wärme, Liebe und Arbeit geformte Werke schufen. Letztlich beruht die industrielle Produktion, die moderne Wirtschaft und die ganze Gesellschaft darauf, dass Menschen ihr geistiges Kapital, ihre Fähigkeiten entwickeln und in der Zusammenarbeit einsetzen. Die Stoffe werden aus der Natur entnommen und in all die hochentwickelten Produkte umgeformt, die gebraucht werden, damit jeder hat was jeder braucht – damit der Honig fließt. Und da in der heutigen Zeit jeder Mensch ein Künstler ist, ist es die Aufgabe jedes Menschen, sich dahin zu entwickeln, aus dem Chaos durch Wärme, Liebe und Arbeit neue, sinnvolle und zukunftsweisende Formen zu schaffen.
Honig spielt sowohl in Beuys' Kunstwerk als auch in der Anthroposophie eine besondere Rolle. In der Honigpumpe symbolisiert Honig die Süße und den Reichtum, die aus gemeinschaftlicher Arbeit und Hingabe entstehen können. Die Biene verwandelt den Nektar der Blumen in Honig und trägt so die »sprießende Liebe« der Pflanzenwelt in den Bienenstock hinein.
Beuys sah in der Honigpumpe ein Symbol für den Arbeitsprozess und den Kreislauf des Lebens im sozialen Organismus. Die Bewegung des Honigs durch die Schläuche kann als Metapher für den Fluss der Lebensenergie, der Geld-, Fähigkeiten- und Warenströme und den Austausch von Gedanken, Ideen und Impulsen in der Gesellschaft interpretiert werden.
Parallelen zwischen Kunst und Anthroposophie
Die Verbindung zwischen Beuys' Honigpumpe und der anthroposophischen Sichtweise der Bienen liegt in der Betonung des organischen, lebendigen Prozesses und der transformativen Kraft der Zusammenarbeit und der Liebe. Sowohl Beuys' Installation als auch der Bienenstock stehen für die Schaffung von etwas Neuem und Wertvollem aus einfachen Grundstoffen.
Die Honigpumpe kann als künstlerisches Gleichnis für die höhere und tiefere Weisheit im sozialen Zusammenlebeninterpretiert werden. Das Kunstwerk regt zum Nachdenken über die Rolle der Gemeinschaft, die Bedeutung der arbeitsteligen Arbeit und die transformative Kraft der Liebe in der Wirtschaft und der industriellen Produktion an.
Quellen
PODCAST „Können Sie auch Honig pumpen?“ Joseph Beuys auf der Documenta 6
https://hamburgarts.de/die-legendaere-honigpumpe/
Anthrowiki: Bienen
https://anthrowiki.at/Bienen